Geschichte des Hauses

Anhand der Geschichte des Haus der Jugend – Fuchsbau lassen sich nicht nur die Interessen und Herausforderungen im Leben von Kindern und Jugendlichen in Reinickendorf im Laufe der letzten 80 Jahre nachvollziehen. Die Entwicklungsgeschichte des Jugendzentrums veranschaulicht ebenso, wie sehr die globale und regionale Politik die Lebensrealitäten und Chancen junger Menschen nachhaltig beeinflusst hat.

Grundsteinlegung, Rohbau und Fertigstellung des Fuchsbaus

Die Geschichte des Fuchsbaus beginnt in düsteren Zeiten: Kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs planten die Nationalsozialisten den kasernenhaften Bau zur Nutzung für die Hitlerjugend. „Tatsächlich fand die Grundsteinlegung am 19. April 1939 im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten zum 50. Geburtstags Adolf Hitlers statt.“ (S. 6) Wegen des Krieges kam das Gebäude gar nicht mehr zum Einsatz. Stattdessen blieb der Bau wegen knappem Baumaterial und der finanziellen Notlage der Stadt noch einige Jahre lang ein Rohbau. Das Gelände wurde nach 1945 vom Sozialamt zum „Bergungslager“ und „Grabeland“ (kleine Parzellen für vorübergehenden Ackerbau) umfunktioniert. Lediglich das Heimwärthäuschen wurde fertiggebaut, damit dort eine Familie einziehen konnte, die das Gelände bewachen und den Diebstahl von Baustoffen verhindern sollte.

Aufgrund mangelnder finanzieller Mittel konnte das Bezirksamt erst 1951 mit Hilfe einer amerikanischen Spende von 138.000 DM den Rohbau fertigstellen (S. 7, S. 21).

Am 11. August 1951 wurde das Grundstück offiziel vom Bezirksbürgermeister, einer Vertreterin des Hauptjugendamts, der Jugendstadträtin sowie den französischen und amerikanischen Jugendoffizieren als „Haus der Jugend – Fuchsbau“ eröffnet.

Die Berliner Jugendarbeit stand in den 50er Jahren angesichts der Machtkämpfe der Allierten vor der Herausforderung, welche politische Ausrichtung und Organisation im Fuchsbau praktiziert werden sollte. Während die Sowjetunion „eine [s. Verfasser] einheitliche, allerdings durchaus politische Jugendorganisation“ verfolgten, „standen die Westmächte aber auch überhaupt politischen Jugendorganisationen skeptisch gegenüber“ (S. 9). Doch auch wenn politische Jugendverbände, wie die Falken, in den 50er Jahren reichlich an Zulauf gewannen, so konnten bis zu 80% der Jugendlichen nicht von der politischen Jugendverbandsarbeit abgeholt werden. Über die politischen Auseinandersetzungen hinweg waren Kinder und Jugendliche in der Nachkriegszeit besonders von der wirtschaftlichen und sozialen Not in Berlin betroffen.

Deshalb richtete sich das Haus der Jugend vielmehr an politisch nichtorganisierte Kinder und Jugendliche und deren grundlegende Interessen und Bedarfe, um diesen eine Alternative zur Straße zu bieten.

Gleichzeitig dienten die vielseitigen Werkstätten, Labore und Arbeitsgruppen der Entwicklung sozialer, kreativer und handwerklicher Kompetenzen. So gab es in den 50er Jahren im Fuchsbau unter anderem ein Fotolabor, eine Flugmodellbau-Gruppe, eine Funker-Gruppe, eine Bibliothek sowie eine Film-Gruppe. Aber auch das Verpflegungsangebot spielte in der Nachkriegszeit eine zentrale Rolle für die Zielgruppe des Fuchsbaus.

In den 60ern Jahren

… entwickelten sich die offenen Angebote des Fuchsbaus vor dem Hintergrund des großen wirtschaftlichen Aufschwungs weiter. Weiterhin nahmen vor allem Kinder die Freizeitangebote des Fuchsbaus wahr, während die berufstätigen Eltern froh über das Betreuungsangebot waren. Jedoch nahm die Zahl der engagierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen ab. Ein Grund dafür war, dass es für junge Menschen erheblich leichter geworden war direkt im Anschluss an den Schulabschluss einen Arbeitsplatz auch ohne Ausbildung zu finden. Im Zuge dieser strukturellen, gesellschaftlichen Veränderungen schwand auch das Interesse junger Menschen, sich in Jugendverbänden zu engagieren und an Jugendfreizeitangeboten teilzunehmen.

Jedoch nahm mit dem wirtschaftlichen Aufschwung auch der Leistungsdruck erheblich zu. Manche Jugendliche fühlten sich überfordert und suchten verschiedene Wege, um kollektiv und individuell mit den bürgerlichen Erwartungen zu brechen. Es bildeten sich subkulturelle Gruppen, die des Öfteren in der Öffentlichkeit aneckten, aber auch gerne das Haus der Jugend aufsuchten. Die Mitarbeiter:innen der 60er Jahre sahen dies als Chance, einige der jungen Erwachsenen an das Haus der Jugend zu binden, indem sie pädagogisch mit ihnen arbeiteten, um einen Abrutsch in kriminelle Strukturen zu verhindern.

In dieser Zeit nahm aufgrund der Studierendenproteste auch das behördliche Misstrauen gegenüber jungen Erwachsenen zu, was die Herausforderungen der Jugendarbeit nicht unbedingt reduzierte. Politische Bildung geschah im Fuchsbau implizit im Rahmen kreativer Angebote wie das Kabarett, um Denkansätze in Frage zu stellen und Diskussionen anzustoßen.

Ein Besucher, der später große Berühmtheit erlangte, war der junge Reinhard Mey, der im Fuchsbau die nötigen (Frei)Räume fand, um seine Musikalität auszuleben und diese mit einem Publikum zu teilen. Auf seinem Album Mairegen erinnert sich der Musiker in seinem Song Rotten Radish Skiffle Guys an seine Zeit im Fuchsbau:

“Als Schlüssel- und Monatskarten-um-den-Hals-Kind war mir der Fuchsbau ein Hort der Geborgenheit. Dem jugendlichen Streuner ein Refugium bei Wind, Wetter und Weltschmerz. Dem hoffnungsvollen Musiker ein immer offener Übungsraum, erste Bühne und Begegnung mit dem Publikum. Ich bin nun ein alter Fuchs in freier Wildbahn geworden und erinnere mich mit Dankbarkeit und Zärtlichkeit an meine Welpenzeit im Fuchsbau.”

Reinard Mey im März 2011
Reinard Meys Ode an den Fuchsbau „Rotten Radish Skiffle Guys

Mehr über die Entwicklung des Fuchsbaus von 1951 bis 2011 erfahrt ihr in der Jubiläums-Broschüre.

Quellen: 

Dohnalek, Claudio / Marquardt, Hans: 40 Jahre Fuchsbau. Jugendförderung Reinickendorf. 1951-1991, Bezirksamt Reinickendorf von Berlin 1991.

Falckner, Hans / Marker, Karin, et al.: 60 Jahre. 1951-2011. Fuchsbau. Partei ergreifen für die Jugend, Bezirksamt Reinickendorf von Berlin 2011.

Jugendamt Reinickendorf: Haus der Jugend - Fuchsbau. https://www.berlin.de/ba-reinickendorf/politik-und-verwaltung/aemter/jugendamt/regionen/ost/artikel.118827.php [zuletzt verwendet am 26.06.2024].